Wer zu schnell fährt, verliert den Versicherungsschutz
Ein Video sorgte kürzlich für Kontroversen: Ein tschechischer Multimillionär rast mit seinem Bugatti über die A2 und hält die Geschwindigkeit mit der Kamera fest. Der Mann erreicht Flugzeuggeschwindigkeit – 417 km/h. Politiker wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nutzen den Vorfall zur Forderung eines Tempolimits. Wie aber ist eine solche Geschwindigkeitsfahrt juristisch zu bewerten?
Darf also auf Autobahnabschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung der Bürger unbegrenzt schnell fahren? Die Antwort fällt mit Blick auf das Strafrecht nicht leicht. Eindeutig aber ist sie mit Blick auf die Schuldfrage und das Versicherungsrecht.
Denn fährt man zu schnell, trägt man bei Unfällen stets eine Teilschuld. Grundlage ist Paragraf 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO): Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Für Autobahnen gibt es hierzu die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Anders, als von vielen gedacht, ist diese Geschwindigkeit keineswegs nur eine Orientierungshilfe.
Richtgeschwindigkeit 130 als juristischer Maßstab
Kommt es nämlich zu einem Unfall mit mehr als 130 km/h, muss der Schnell-Fahrende beweisen, dass der Unfall für ihn auch bei 130 km/h nicht zu vermeiden gewesen wäre. Bei hohen Geschwindigkeiten ist dieser Beweis allerdings nicht mehr möglich. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz (Az. 12 U 313/13).
Ein Mann war mit 200 km/h auf ein ausscherendes Auto aufgefahren. Obwohl der Unfallgegner einen Fahrfehler beging, erhielt der Fahrer eine Mitschuld. Denn Grund für den Unfall war laut OLG das hohe Tempo. Der Senat schrieb in den Urteilsgründen: „Eine Geschwindigkeit im Bereich von 200 km/h ermöglicht es in der Regel nicht mehr, Unwägbarkeiten in der Entwicklung einer regelmäßig durch das Handeln mehrerer Verkehrsteilnehmer geprägten Verkehrssituation rechtzeitig zu erkennen und sich darauf einzustellen. Diese Gefahr hat sich nach der Überzeugung des Senats im vorliegenden Fall in geradezu klassischer Weise verwirklicht.“
Mit 200 km/h verliert man den Versicherungsschutz
Mit der Schuld droht weitere Unbill – die Versicherung kann den Fahrer in Regress nehmen. Das zeigt ein Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (Az. 13 U 1296/17): Ein Mercedes-Fahrer hatte seine Versicherung verklagt, nachdem diese sich geweigert hatte, den Gesamtschaden an einem Leihwagen zu ersetzen. Der Mann war mit 200 km/h in eine Leitplanke gerast und überlebte wie durch ein Wunder. Aufgrund der Kasko-Versicherung wurde zwar zunächst der Schaden erstattet. Allerdings wollte daraufhin das Versicherungsunternehmen einen Teil der Schadensumme wiederhaben.
Und der Mann musste tatsächlich das Geld zurückzahlen, wie das Gericht beschied. Denn bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h verletzt er seine „verkehrserforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße“. Wenngleich in Deutschland diese Geschwindigkeit nicht verboten ist, gerät der Fahrer dennoch in Mithaftung. Auch der Bundesgerichtshof beschied: Wer schneller als 130 km/h fährt, „vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, dass sich ein anderer Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellt, insbesondere die Geschwindigkeit unterschätzt“ (Az. VI ZR 62/91). Anders ausgedrückt: Wer schneller als 130 km/h fährt, haftet bei einem Unfall für die Folgen.
Beging der Bugatti-Fahrer eine Straftat?
Der Bugatti-Fahrer hätte mit 400 km/h also bei einem Unfall die wohl volle Schuld gehabt. Wie aber ist die Situation zu bewerten ohne Unfall? Ist dann so eine hohe Geschwindigkeit erlaubt?
Die Antwort fällt nicht eindeutig aus. Strafbar wäre das Handeln, wenn es „verkehrswidrig und rücksichtslos“ wäre. Jedoch definiert das Strafgesetzbuch hierfür nur den Tatbestand des Zu-Schnell-Fahrens an unübersichtlichen Stellen. Man könnte allerdings argumentieren: Mit 400 km/h hat kein Mensch mehr eine solche „Übersicht“. Denn ein hohes Tempo führt stets zum Tunnelblick: die seitlichen Bereiche der Straße sind vom menschlichen Auge nicht mehr als Bild auflösbar.
Aber der Fahrer könnte sich auch aus einem anderen Grund strafbar gemacht haben. Denn nach Paragraf 315d Strafgesetzbuch ist es verboten, dass sich ein Kraftfahrzeugführer „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt“, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dieser Passus macht es auch möglich, einen Fahrer wegen eines illegalen Autorennens zu verklagen, obwohl er nicht gegen einen Gegner fuhr.