DSGVO-Auskunftspflicht umfasst auch Gesprächsvermerke und Notizen
Ein Versicherungsunternehmen muss einen Versicherungsnehmer auf Verlangen auch über Notizen zu Gesprächen und Telefonaten informieren, die ein Mitarbeiter gemacht hat. Das zeigt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln.
DSGVO regelt Auskunftspflichten und -Rechte
Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) spricht jeder Bürgerin und jedem Bürger ein Auskunftsrecht über personenbezogene Daten zu. Hierbei handelt es sich um Daten, die eine Person identifizierbar machen oder ihr zugeordnet werden können. Wie weit der Begriff gefasst ist, zeigt nun ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (Az. 20 U 75/18): Auch Vermerke und Notizen im Zuge eines Beratungsgesprächs gehören zu den personenbezogenen Daten.
Geklagt hatte ein Mann, der seit 2008 an einer Depression litt. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten belieh er mehrfach seine Lebensversicherung über ein sogenanntes „Policendarlehen“. Der Mann suchte wiederholt den Vertreter seiner Versicherung auf, um sich über die Darlehen beraten zu lassen.
Bestandteil seines Versicherungsvertrags war aber auch ein Zusatzbaustein mit Schutz bei Berufsunfähigkeit (BU). Allerdings hatte der Versicherungsnehmer vergessen, dass er über den zusätzlichen BU-Schutz verfügt.
Der Kläger wollte ab 2008 eine Rente ausgezahlt haben
In 2014 wurde die psychische Erkrankung des Versicherungsnehmers so akut, dass der Mann seinen Beruf komplett aufgeben musste. Nun wies ihn der Vertreter auf die Möglichkeit hin, über die Police eine Rente zu beziehen. Die Rente wurde durch die Versicherung auch ab 2014 gewährt.
Der Mann aber verklagte die Versicherung. Er meinte, schon ab 2008 und nicht erst ab 2014 hätte ihm eine BU-Rente zugestanden. Der Vertreter hätte ihn falsch beraten. Denn bei richtiger Beratung wären die Darlehen gar nicht nötig gewesen. Der Mann wollte also eine Rente von 2008 bis 2013 nachgezahlt haben – und ging deswegen vor Gericht, um sich erfolglos durch mehrere Instanzen zu klagen.
Urteil: Kein Anspruch auf Geld, aber auf Datenauskünfte
In großen Teilen war die Klage des Versicherungsnehmers erfolglos: Der Anspruch auf eine nachgezahlte Rente wurde zurückgewiesen. Denn das Gericht konnte keine Anhaltspunkte für eine Falschberatung durch den Vertreter erkennen, da der Versicherungsnehmer nicht ausreichend über seinen Gesundheitszustand informiert hatte. Jedoch: in einem Punkt erhielt der Kläger Recht.
Denn im Zuge der Klage wollte der Mann auch Auskunft über seine personenbezogenen Daten erhalten. Hierbei ging es um besondere Daten – um Vermerke und Notizen nämlich, die sich der Vertreter im Zuge der Beratungsgespräche über den Mann gemacht hatte. Das Versicherungsunternehmen wollte nicht über die Daten informieren. Das Oberlandesgericht aber beschied: Der Mann hat Anspruch auf die Auskünfte.
„Personenbezogene Daten“ ist ein sehr weit gefasster Begriff
In diesem Kontext weist das Oberlandesgericht darauf hin, dass der Begriff der „personenbezogenen Daten“ weit gefasst ist: Er umfasst alle Informationen, „die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen.“ Unter die Vorschrift fallen:
persönliche Informationen wie Identifikationsmerkmale (z. B. Name, Anschrift und Geburtsdatum), äußere Merkmale (wie Geschlecht, Augenfarbe, Größe und Gewicht) oder innere Zustände (z. B. Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile)
sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstigen Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt
Das Versicherungsunternehmen muss den Kläger über die gesamte Korrespondenz informieren
Besonders wichtig für das Urteil ist: Auch solche Aussagen, die eine subjektive und/oder objektive Einschätzung zu einer Person liefern, weisen einen Personenbezug auf. Hierzu gehören auch Notizen und Vermerke, die sich zum Beispiel ein Vertreter während eines Gesprächs oder Telefonats über einen Versicherungsnehmer macht. Deswegen muss auch über solche Aussagen Auskunft gegeben werden – das Versicherungsunternehmen hat den Kläger also über Notizen und Vermerke des Vertreters zu informieren.
Urteil kann bei Rechts- und Leistungsansprüchen helfen
Demnach können Versicherte über die gesamte sie betreffende Korrespondenz Auskunft verlangen. Das Urteil ist deswegen wegweisend, weil es Versicherungsnehmer und Makler dabei unterstützen kann, im Falle eines Rechtsstreits um eine Versicherungsleistung auch Behauptungen zu prüfen, die für den Leistungsfall relevant sein könnten. Wer mehr Informationen hierüber erhalten will, sollte sich an eine Expertin oder einen Experten wenden.